Streetdate: 22.09.2017 / Nuclear Blast
Streetdate: 22.09.2017 / Nuclear Blast

CRADLE OF FILTH - Cryptoriana-The Seductiveness Of Decay

(Nuclear Blast)

 

Beinahe zwei Dekaden ist es nun her, dass ich des Nächtens bei einem Kumpel auf dem Sofa fläzend, auf irgendeinem Musiksender - ich meine es war MTV - erstmalig mit „Der Wiege des Abschaums“ konfrontiert wurde. Es lief das Video „From The Cradle To Enslave“, das es mir sofort angetan hatte. Es war so anders und böse und das nachts bei MTV!?! Die Horror Black Metaller CRADLE OF FILTH aus dem Vereinigten Königreich haben sich indes zum Vorreiter, des eigens kreierten Genre „Symphonic’n‘Gothic Art“-Black Metal gemausert. Ihre zwölfte Black Pizza „Cryptoriana-The Seductiveness Of Decay” beinhaltet acht neue Stücke, die mit 52:58 Minuten zu Buche schlagen. Bereits mit der Startrille, die an ein Schreckensszenario aus einem Horrorfilm erinnert, wird der Weg in Richtung kunstvoll umrissenen, sinisteren Extrem Metal gewiesen. Melodisch versiert wie eh und je und nicht minder brachial, stellt sich die stark keyboardlastige, schaurig schöne Todesromantik auch auf dem neuesten CRADLE OF FILTH Opus dar.

Photo Credit: Alexander Trinitatov
Photo Credit: Alexander Trinitatov

Von den Metaljüngern abgöttisch geliebt oder aber abgrundtief gehasst, kann der Vampyric Metal aus Ipswich, Suffolk, England nach wie vor kaum auf seine, mal mehr mal minder dezent eingesetzten, elektronischen Stilmittel verzichten. Er ist mystisch, verklärt und stets am Rande des Wahns. Diese Art der modern und eigenständig ausgelegten, ausufernden viktorianischen Gothic Horror Kunst, mit ihren bis ins Detail ausgeklügelten Arrangements, ihrer glasklaren, differenzierten Produktion und ihren hochkomplexen Texten, ist eine in sich geschlossene Einheit aus andersartig bis grotesk erscheinenden Extrem Metal Elementen. Der Gesang des Großmeisters des Horror Black Metals Dani Filth, der immer wieder mit spitzen, neurotoxischen Screams aufwartet, ist einfach einmalig, unverkennbar in der Metalwelt und schneidet wie Butter durch Hirn und Rinde. Dabei verleibt sich CRADLE OF FILTH nicht annähernd so viel Groove wie Danis‘ Zweitband DEVILMENT ein und grenzt sich nicht zuletzt durch seine Schnörkellosigkeit und kompromisslose Härte deutlich von seinem Nebenprojekt ab.

Photo Credit: Artūrs Bērziņš
Photo Credit: Artūrs Bērziņš

Melodisch, eingängig, chorusunterstützt, dennoch schnell, schräg und hart wird wieder gewaltig gehämmert, pfeilschnell gerifft, deftig und wutentbrannt gekrischen, düsterkehlig geflüstert und dabei stets sehr abwechslungsreich agiert. Die generell sehr dicht gehaltenen Soundteppiche, in denen sich viele traditionelle Metal Elemente tummeln, zeugen von langjähriger Erfahrung, intelligentem Spielwitz und Know-how. Hier beweisen CRADLE OF FILTH einmal mehr auf beeindruckende Weise, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. „Cryptoriana-Die Verführung des Verfalls“ ist die Zusammensetzung der einzelnen musikalischen Elemente zu einer morbiden Horror Metal Oper der Extreme. Brutale Sequenzen, fett schneidende Riffs, starke (meist klassische) Soli und der häufige Einsatz von (zumeist weiblichem) Chorusgesang im Hintergrund, der dem Ganzen eine würzige Note des verleiht, beherrschen die jeweiligen Szenerien. Hin und wieder hat man auch weiblichen Klargesang in das Soundkonzept eingewebt, um die extremen Gegensätze des Schönen und des Wohlklangs mit der abstrakten Fratze des Hässlichkeit und des Abschaums kontrastieren zu lassen (als eine Art Sinnbild von Jungfrau und Tod). Die oftmals eingeschobenen, bockstarken Soli von Richard Shaw und Ashok, stechen immer wieder positiv aus dem ohnehin schon astrein arrangierten und perfekt in Szene gesetzten Symphonic Black Art Epos hervor.

Photo Credit: Artūrs Bērziņš
Photo Credit: Artūrs Bērziņš

Trotz der allgemein recht deftigen Auslegung des CRADLE OF FILTH Sounds stößt man immer wieder auf die bereits angesprochenen, eingängige Melodieführungen und den mehrfach eingesetzten (meist weiblichen) Chorusgesang. Den Conaisseuren des britischen Horror Black Metals, kann man mehr als eine Abkehr vom einstigen Death Metal oder eine deutliche Abgrenzung zum herkömmlichen, klassischen Black Metal eigentlich gar nicht vorwerfen, denn Anbiederung an den Mainstream konnte und kann man CRADLE OF FILTH wohl kaum unterstellen, dazu ist ihre äußerst interessante und über die Jahre zu einer gewissen Institution im Extrem Metal avancierte Gothic Kunst einfach zu abstrakt, grotesk und hart. „Cryptoriana-The Seductiveness Of Decay“ ist ein Album mit vielen Höhen, aber nur wenigen Tiefen geworden. Die atmosphärisch brachiale Symphonic’n‘Gothic Art Aufführung bietet ein höllisch herrliches Hörerlebnis, in dem es immer wieder Neues zu entdecken gilt. Also, alles richtig gemacht Mr. Filth! Das umwerfende Cover stammt übrigens aus der Feder von Artūrs Bērziņš. Er ist für seine neo-symbolische Raster-Grafiken und Öl-Gemälde sowie die postmoderne Interpretation klassischer Mythen bekannt und wird als "heiliges Monster der lettischen Postmoderne" bezeichnet. „Cryptoriana - The Seductiveness Of Decay“ wurde in den Grindstone Studios in Suffolk von Scott Atkins aufgenommen, der bereits an einigen CRADLE OF FILTH-Alben gearbeitet hat. Dani selbst wohnte dem Mix ebenfalls bei.

Photo Credit: Artūrs Bērziņš
Photo Credit: Artūrs Bērziņš

www.cradleoffilth.com

www.facebook.com/cradleoffilth

 

Meine Wertung: 88/100

 

CRADLE OF FILTH in der aktuellen Besetzung:

Dani Filth – Vocals

Richard Shaw – Guitars

Ashok – Guitars

Daniel Firth – Bass

Lindsay Schoolcraft – Keys

Martin “Marthus“ Škaroupa – Drums

 

Tracklist:

01. Exquisite Torments Await (02:15)

02. Heartbreak and Séance (06:24)

03. Achingly Beautiful (07:02)

04. Wester Vespertine (07:29)

05. The Seductiveness of Decay (07:38)

06. Vengeful Spirit (06:00)

07. Death and the Maiden (08:48)

08. You Will Know the Lion by His Claw (07:23)

 

TT: 52:58 Minuten

 

Anspieltipps: Track 1 - 8

 

Heartbreak and Séance:

 

Achingly Beautiful:

 

You Will Know The Lion By His Claw:




 

 

- Wir bitten von der Übersendung nicht angeforderter Rezensionsexemplare in physischer Form abzusehen, da Wir diese in der Regel nicht bearbeiten Können -