Streetdate: 05.05.2017 / Massacre Records
Streetdate: 05.05.2017 / Massacre Records

EISREGEN - Fleischfilm

(Massacre Records)

 

Ganze 22 Jahre ist es her, da wurde der schwarze Tod aus Tambach aus der Taufe gehoben. Seither hat sich die ostdeutsche Black/Dark/Gothic Crossover Formation EISREGEN nicht nur Freunde unter der hiesigen Bevölkerung gemacht. Die deutschsprachigen, recht morbiden Texte, die mal metaphorisch, mal ziemlich direkt 1.000 Nägel auf den Kopf treffen, sind und waren nicht immer jedermanns Sache. In den ersten zehn Jahren des Bandbestehens hat man dann auch diverse Indizierungen der BPJM (Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien) hinnehmen müssen und daher ein wenig Schärfe, sowie den krassen Zynismus aus dem expliziten Sprachgut genommen. Weiterhin der Tradition der Doppelbuchstaben folgend, an der EISREGEN seit ihrem zweiten full-length Output „Krebskolonie“ festhalten, wird auch mit dem zwölften Album „Fleischfilm“ diesem Brauchtum gefrönt. Nachdem die Thüringer mit dem erfolgreichen Vorläufer „Marschmusik“ bis auf Platz 11 der deutschen Charts kletterten, verließ Gitarrist Bursche Lenz im Januar 2017 in beiderseitigem Einvernehmen die Band. Den Gitarrensound und die Gitarrenaufnahmen für „Fleischfilm“ besorgte daraufhin der langjährige Kumpel der Band Martin Schirenc (MARTIN SCHIRENC PLAYS PUNGENT STENCH, HOLLENTHON) in den Vato Loco Studios in Wien.

 

Die Black/Dark/Gothic Aufführung „Fleischfilm“ ist als Konzeptalbum gedacht und eine Verbeugung vor dem wilden, italienischen Kino der 1970er und frühen 1980er Jahre. Der Klangkosmos der Thüringischen Todesformation EISREGEN erscheint dabei recht unorthodox und zu manchen Teilen gar überfrachtet, zu anderen eher minimalistisch. Sind die ersten beiden Tracks noch recht ansprechend, plätschert der „Fleischfilm“ spätestens mit Einsetzten vom dritten Stück „Jenseits der Dunkelheit“ schräg, unpassend, unspektakulär, gar langweilig vor sich hin. Es will sich keine rechte Dramaturgie oder Spannung in den Symphonien aufbauen. Es fehlt das Bedrohliche, das Widerwärtige, das Kämpferische. Obschon mir durchaus bewusst ist, dass sich eine Band weiterentwickeln will und muss, bin ich seltsam zwiegespalten, denn das dargebrachte Material ist nicht wirklich schlecht, aber doch für EISREGEN unpassend und es geht ganz klar in die falsche Richtung. Dabei war man doch mit "Marschmusik“ erst auf den Pfad der Tugend zurückgekehrt. Die Tambacher Filmliebhaber verschwenden auch keine Zeit auf Blastbeats, setzen vielmehr auf eine ausladende Atmosphäre unter Einbindung elektronischer Elemente, sowie viel zu abrupter Wechsel in den musikalischen Strukturen, was das Ganze Konzept schwer verdaulich macht. Die Leads brechen in teils extravagante, auch mal jazzige Gefilde ("Syndikat des Schreckens") vor, was jetzt gar nicht mal sooo schlecht ist. Dabei sollten sich die Thüringer Totengräber aber doch lieber ihrer individuellen Klasse und der alten Tugenden besinnen, anstatt sich solch gewagten Experimenten hinzugeben.

 

Für mich steht und fällt verdammt viel mit Blutkehles' (Sänger Michael Roth) Gesangsperformance, die mir einfach nicht kraftvoll und intensiv genug, sondern leider viel zu gepresst rüberkommt. Fans der

„Krebskolonie“ oder „Leichenlager“ Alben werden wissen, was ich meine. Der Versuch einigermaßen euphonisch zu klingen ist bereits seit der 2001er „Farbenfinsternis“ mehrfach danebengegangen. Michaels‘ kehliger, rollender Krächzgesang, für den man EISREGEN einstmals lieben lernte, säuselt zu sehr und klingt indes stark nach altem, schwachem Mann. Musikalisch ist mir „Fleischfilm“ ebenfalls ein wenig zu saft- und kraftlos, obschon die vielen neuen Ideen tatsächlich recht gut umgesetzt wurden. Für EISREGEN Verhältnisse ist das aber definitiv zu wenig. Der klägliche Versuch Dramaturgie aufzubauen, will nicht so ganz zünden, verkehrt sich sogar zum Teil ins Lächerliche, wenn man beispielsweise den Refrain zu „Nahe der Friedhofsmauer“ zitiert: „Im Keller haust ein Wesen, das hat dich zum Fressen gern.“ Das ist aber nicht nur textlich, sondern auch musikalisch ziemlich Panne. Ebenso der nachfolgende achte Track „Menschenfresser“, bei dem sich mir bereits mit der albernen Einleitung sämtliche Nackenhaare aufstellen. Der Bonustrack des Digipak „Nachts kommt das Delirium“ ist zwar ein recht lustiger Spaßtrack, aber ist es das, was man von einer (einstmals) dem Black Metal/Extrem Metal zugehörigen Combo wie EISREGEN hören will? Machen sie sich damit nicht unglaubwürdig, gar lächerlich?

 

Über die Beherrschung der Instrumente braucht man ja eigentlich keine Worte zu verlieren. EISREGEN sind gestandene Musiker, aber mich nimmt der „Fleischfilm“ leider nicht so wirklich mit. Die Riffs zünden nicht, weil sie zu kraftlos sind, das Schlagzeugspiel ist nicht wirklich präsent und alles andere als druckvoll und die Bratsche kommt viel zu selten durch. Einzig und allein die, aus dem Keyboard herausgekitzelten Elemente wurden zumeist recht ordentlich in die musikalischen Landschaften eingewebt. Der Rest hat einfach zu wenig Punch und kein echtes Durchsetzungsvermögen. Der Versuch einen gewissen Anteil an Filmatmosphäre in ihr Konzept einzubauen, gelingt EISREGEN ebenfalls nur bedingt und die guten Ansätze, die zum Teil mit Bratsche, Harfe, Zither, Piano, Orgel oder anderweitigen, elektronisch hervorgerufenen Elementen unterlegt wurden, hat man mit Anlauf wieder über Bord geworfen. „Fleischfilm“ ist echt harter Tobak, extrem unzugänglich und leider EISREGEN‘s schlechtestes Album to date...

 

Das erste Konzeptalbum in der Bandgeschichte ist als Jewel Case CD, limitiertes Digipak mit Bonustrack, limitierte & nummerierte Vinyl LP mit Gatefold-Cover sowie als limitiertes Box-Set mit Digipak, Patch, 3D Brille und 3D Art Cards erhältlich. Für die ansprechende Cover- und Bookletgestaltung ist Adrian Keindorf verantwortlich. Ich bin mir nicht so ganz sicher, ob sich EISREGEN mit ihrem neuesten Output welcher von Markus Stock (THE VISION BLEAK, EWIGHEIM, HELRUNA, EMPYRIUM) in der Klangschmiede Studio E in Mellrichstadt gemischt und gemastert wurde, wirklich einen Gefallen getan haben. Die Zeit wird es zeigen...

 

www.fleischhaus.de

https://www.facebook.com/eisregen.official

 

Meine Wertung: 77/100

 

EISREGEN in der Fleischfilm Besetzung:

M. Roth - alle Stimmen

Yantit - Puls / Elektrik

M. Schirenc - 6-Saiter

M. Stock - 4-Saiter, Percussion

Gemser - Tastenwelt

Frau N. Feind - Violine

 


Tracklist:

1. Drei Mütter

2. Hauch des Todes

3. Jenseits der Dunkelheit

4. Die letzte Reise des Alan Yates (Metamorphose 2)

5. Auf den Spuren der Säge

6. Tiefrot

7. Nahe der Friedhofsmauer

8. Menschenfresser

9. Syndikat des Schreckens

10. Im Blutrausch

11. Satan der Rache

12. Nachts kommt das Delirium (Digipak Bonus)

 

TT: 45:58 Minuten

 

Anspieltipps: Drei Mütter, Hauch des Todes, Syndikat des Schreckens



 

 

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