Interview zu "Nightmares Of The Decomposed" vom 29.09.2020 mit Gitarrist Jack Owen

 

- von einer rohen, nicht-computergestützten Produktion, einem angenehmen Line-up ohne Animositäten und dem schlechtesten Präsidenten, den Amerika jemals hatte -

 

Dass die 1993 gegründeten US-Death'n'Roll Pioniere SIX FEET UNDER nach dem extremsten Output ihrer Karriere "Torment" aus dem Jahre 2017, einen derart deutlichen Richtungswechsel mit ihrem aktuellen Vollwerk "Nightmares Of The Decomposed" hinlegen würden, hätte ich weiß Gott nicht zu Träumen gewagt. Die Extrem Metal Veteranen lassen es anno 2020 definitiv experimenteller und ruhiger angehen als noch zuvor. So integriert man viele Elemente aus dem Bereiche des klassischen Heavy Metals und des 70ies Rock in seinen deftigen, tiefenverzerrten und groovebetonten Todesmörtel. Dieser Aspekt ist wohl "Neu"-Zugang und Frontgrunzer Chris Barnes' damaligem CANNIBAL CORPSE Bandkollegen Jack Owen (rhythm & lead guitar) zuzuschreiben, der erstmalig im Mittelpunkt des Schreibprozesses stand. Grund genug dem CANNIBAL CORPSE- und DEICIDE-Aussteiger einmal ordentlich auf den Zahn zu fühlen...

 

SIX FEET UNDER - Nightmares of the Decomposed
Streetdate: 02.10.2020 / Metal Blade

LACK OF LIES (LOL): Hey Jack, vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast! Ich hoffe, dieses Interview erreicht euch alle bei bester Gesundheit in diesen denkwürdigen Zeiten!!!

Ihr geht auf "Nightmares Of The Decomposed" einen guten Tacken experimenteller und wesentlich gediegener zu Werke...vielleicht auch ein bisschen back-to-the-roots? Mit einer deutlich höheren Gewichtung auf Schwere, Groove und eine in sich geschlossene Dynamik sind Blastbeats eher Mangelware. Erzähl mir über deine/eure Gedanken und Ideen zu dieser "Kehrtwende".

 

Jack Owen: Hallo Janko und danke für das Interview! Ja, was die Musik anbetrifft, bin ich, neben vielen andere Bands definitiv in meine älteren Einflüsse wie Black Sabbath, Jimi Hendrix, Cream, Kyuss und Earthride eingetaucht. Ich sehe mich im übertragenen, aber auch im wörtlichen Sinne als Musikarchivar. Ich könnte ein Album schreiben, das vom Anfang bis zum Ende ballert, aber das wäre langweilig und würde nicht den Geisteszustand widerspiegeln, in dem sich die Band zurzeit befindet...

 

LOL: Als Fan erster Stunde ist mir natürlich bewusst, dass sich SFU nie in einen stilistischen Käfig haben sperren lassen und immer offen waren für neues. Auch die Wechsel in Härtegrad, Schnelligkeit und Intensität änderten sich von Album zu Album, aber diesen krassen stilistischen Wechsel gegenüber "Torment" hätte ich in der Form jetzt nicht wirklich erwartet...

 

Jack: Ein Album muss in sich selbst variieren. Wenn ich also einen schnellen Song schreiben würde, würde ich darauf einen mittelschnellen oder einen langsamen Song folgen lassen. Anschließend würde ich von dort aus wieder zurück zu einem schnellen Song gehen. Vielleicht stellt das eine Veränderung für einige SFU-Fans dar, aber Veränderung ist gut. Und es erinnert stilistisch an Haunted, gemischt mit dem The Bleeding-Album (CANNIBAL CORPSE aus dem Jahre 1994 / Anm. d. Verf.). Zumindest haben wir keine Liebesballaden...

 

LOL: Die Herangehensweise an den Songaufbau und vor allen seine einzelnen Strukturen ist in meinen Ohren eine andere. "Nightmares Of The Decomposed" beinhaltet viele Rock-Elemente, bis hin zu langsameren, ja teilweise fast schon stoischen Elementen...des Weiteren fiel Chris Gesangsdarbietung etwas zurückhaltender aus.

 

Jack: Das hörst du genau richtig, mein Freund. Da ich starke Riffs wollte, konzentrierte ich mich auch auf das starke Songwriting der Vergangenheit. Ich kann es einfach nicht leiden, wenn sich ein Riff nicht ein einziges Mal innerhalb eines Songs wiederholt. So etwas trägt zur Unvergänglichkeit eines Songs bei. Bei jedem Song, den ich schreibe, denke ich auch immer an die Live-Situation. Ein Song wie "Drink Blood, Get High" erinnert mich zum Beispiel an die Vorfreude darauf in einen Moshpit zu springen oder sich darauf vorzubereiten von der Bühne ins Publikum einzutauchen.

SIX FEET UNDER 2020
Photo: Gustavo Abdiel Torres

LOL: Was kannst du mir ansonsten hinsichtlich der Ausarbeitungen und den Arbeiten an eurem 17. Album "Nightmares of the Decomposed" sagen? Ihr wohnt ja alle nicht gerade um die Ecke...

 

Jack: Ja, wir leben über ganz Amerika verteilt, also habe ich einfach finale Demos für die Songs zusammengestellt, zu denen Marco (Pitruzzella) Schlagzeug spielen konnte. Das eröffnete uns die Möglichkeit die Dateien zu verschiedenen Studios mitzunehmen, um dort unsere Parts einzuspielen. Das hat auch zu einer rohen, nicht-computergestützten Produktion beigetragen.

 

LOL: Ihr seid Vollprofis, aber gab es irgendwelche denkwürdigen Erlebnisse während der Ausarbeitung der Songs oder des Produktionsprozesses? 

 

Jack: Meiner Meinung nach war es ziemlich easy die Songs zusammenzustellen, sie zum Antesten per E-Mail zu versenden und den Ball mit dem Einspielen der jeweiligen Instrumente endgültig ins Rollen zu bringen. Ich habe im Endeffekt einen Song pro Tag geschrieben, an manchen sogar zwei. Bei mir lief es richtig rund, als ich in ein neues Haus gezogen bin und mein Homestudio Equipment aufgebaut habe.

 

LOL: Eure Texte sind oftmals wirklich böse und extrem. Auch wenn Chris selbige schreibt, kannst du mir doch bestimmt sagen, was ihn dahingehend am meisten inspiriert. Sind es eher Filme und Bücher, das wahre Leben (die Breaking News ;-)) oder eher seine eigenen Gedanken und Visionen?

 

Jack: Ich bin mir nicht ganz sicher, woher Chris seine textlichen Inspirationen bezieht. Ich schätze mal, er ist sein gesamtes Leben lang bereits ein Archivar der düsteren Gedanken, auf reeller und auf fiktionaler Ebene. Er greift darauf zurück, wenn er sie braucht und was dabei herauskommt sind Blut und Horror. Manchmal ist das wahre Leben wesentlich erschreckender als Fiktion!

SIX FEET UNDER
Jack Owen

LOL: Kurz nach Fertigstellung des Vorgängers "Torment" bist du zu SFU gestoßen, also vor fast drei Jahren. Es ist ja schon eine ganze Weile her...ich denke, du wirst dich in der Zwischenzeit gut bei SIX FEET UNDER "eingelebt" haben!?! Du und Chris, ihr hattet ja schon lange darüber nachgedacht, die Zusammenarbeit wiederaufleben zu lassen, oder?

 

Jack: Wir diskutieren schon seit Jahren darüber wieder gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen. Als ich bei DEICIDE aufgehört habe, hatte ich Zeit voll einzusteigen und sofort mit auf Tour zu gehen. Ich habe mich komplett in das Line-up und in das ältere, klassische Material reingefunden. Es ist ein sehr angenehmes Line-up ohne Animositäten und das kann ich über die Jahre nicht von vielen Bands behaupten.

 

LOL: Wie denkst du heute, mit ein wenig Abstand, über deinen Ausstieg bei CANNIBAL CORPSE und DEICIDE? Bist du immer noch in Kontakt mit deinen alten Bandkollegen oder flacht so etwas schnell ab?

 

Jack: Ich denke, ich habe die richtige Entscheidung getroffen zu der Zeit, als ich die Bands verließ. Ralph Santolla (DEICIDE) und ich waren beste Freunde, aber er starb (am 07.06.2018 an einem Herzinfarkt / Anm. d. Verf.) und das ist scheiße. Aber ich bin in Kontakt mit Kevin Quirion von DEICIDE. Er ist ein wirklich guter Freund. Alle anderen scheinen zu beschäftigt zu sein, um miteinander in Kontakt zu bleiben, aber es ist o.k. wie es ist...

 

LOL: Ich glaube, du kannst es schon nicht mehr hören (geht mir genauso...hahaha). Dennoch würde mich brennend interessieren, wie sich SARS-CoV-2 auf dich persönlich, dein Umfeld und euch als Band auswirkt. Von den Einschränkungen beim Touren einmal ganz abgesehen...gerade heute habe ich gehört, dass die Zahl der Corona-Toten weltweit die 1 Million-Grenze überschritten hat.

 

Jack: Es ist eine Zeit voller Herausforderungen! Das Negative daran ist, dass die Bands nicht auf Tour gehen können, aber die positive Seite ist, dass viele Bands EINE MENGE Material zu veröffentlichen haben, wenn das alles vorbei ist. Ich lebe in einer kleinen Stadt und fühle mich sicher. Wir waren bislang nicht sonderlich stark betroffen und hatten auch nicht viele Infizierte. Größere Städte hat es hart getroffen. Wir müssen Trump loswerden und eine richtige Führung für Amerika anstreben, um diese Sache in den Griff zu kriegen.

SIX FEET UNDER
Photo: Chris Barnes

LOL: Die Präsidentschaftswahl in den USA stehen an. Ich will nicht wissen, zu wem du tendierst oder für wen du sympatisierst...wirst du mir wahrscheinlich auch nicht sagen. ;-) Dennoch interessiert mich deine Meinung zum hierzulande kontrovers diskutierten, momentanen Amtsinhaber Donald Trump, seinen Ideen, Visionen, Aussagen etc...wird er deiner Meinung nach weiterhin Präsident bleiben und wäre das gerechtfertigt?

 

Jack: Ich kann nur hoffen, dass Trump aus der Regierung fliegt. Er ist definitiv der SCHLECHTESTE Präsident, den Amerika jemals hatte. Die Lügen, die mangelnde Intelligenz, die mangelnde außenpolitische Verantwortung, der Missbrauch des amerikanischen Geldes, das geht weiter und weiter und weiter und weiter...Er muss weg. Weitere vier Jahre davon könnten das Land zerstören.

 

LOL: Wie sehen eure Pläne in naher und ferner Zukunft aus? Arbeitet ihr bereits an neuen Songs, ist schon was im Kasten und was gibt es sonst noch neues im SFU-Lager? Gibt es zum Beispiel bereits Pläne für eine Europa-Tour...wenn ihr momentan überhaupt vernünftig planen könnt?

 

Jack: Ich habe für einige Projekte bereits Songs geschrieben, SFU eingeschlossen. Aber es wurde noch nichts professionell aufgenommen. Einfach nur Home Demos. Wir werden sehen, was passiert, wenn ein Impfstoff gefunden wird, der es weltweit ermöglicht die Veranstaltungsorte wieder zu öffnen und wir wieder touren können. Vielleicht im nächsten Sommer???

 

LOL: Ich danke dir recht herzlich, dass du dir die Zeit genommen hast, meine Fragen zu beantworten, Jack! Ich wünsche dir alles Gute, viel Glück, viel Erfolg, viel Spaß mit eurer Musik und der Band...und bleibt vor allen Dingen brutal gesund!!! Die letzten Worte dieses Interviews sollen dir gehören...

 

Jack: Danke für das Interview und danke an all die deutschen und europäischen Fans, für Dekaden endloser Unterstützung all der Bands bei denen ich war. Cheers!

 

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SIX FEET UNDER in der "Nightmares of the Decomposed" Besetzung:

Chris Barnes - vocals

Jack Owen - rhythm and lead guitar

Ray Suhy - lead guitar

Jeff Hughell - bass

Marco Pitruzzella - drums

 

Tracklist:

01. Amputator (03:43)

02. Zodiac (02:53)

03. The Rotting (03:15)  

04. Death Will Follow (02:51)  

05. Migraine (04:20)       

06. The Noose (04:29)   

07. Blood of the Zombie (03:21)       

08. Self Imposed Death Sentence (03:02)    

09. Dead Girls Don't Scream (03:15) 

10. Drink Blood, Get High (04:25)     

11. Labyrinth of Insanity (04:19)       

12. Without Your Life (03:38)  

        

TT: 43:31 Minuten

 

Anspieltipps: The Noose; Zodiac; Drink Blood, Get High; Labyrinth of Insanity

 

Hier checkt ihr die aktuellen SIX FEET UNDER Euro-Tourdates!

 

Das meint LACK OF LIES zu "Nightmares Of The Decomposed"!

 

Das meint LACK OF LIES zu "Torment"!

 

Amputator:

 

Zodiac:

 

Blood of the Zombie:




 

 

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