FÄULNIS - Interview zum Kulturschock "Antikult" mit Sänger und Textschreiber Seuche vom 03.05.2017

 

- von einer Begriffsammlung im Notizheft, viel Fiepen und Rückkopplungen, ner Niete am Instrument und dem Tragen von Bluejeans -

 

Entgegen dem Strom, entgegen aller Konventionen und entgegen dem Kult haben sich die Hamburger Black Doom Punk Rocker FÄULNIS mit ihrem dritten "Antikult" gestellt. Ihr misanthropisch geprägter Depressive Post-Black Metal, der mit zumeist verständlichen deutschen Texten ausstaffiert ist, die das (Un-)Sinnbild unserer kranken und verkommenen Gesellschaft in nahezu perfekter Projektion wiederspiegeln, ist der Finger in der Wunde eines längst antiquierten, aber immer wieder auflebenden Egoismus/Narzissmus Modells. Die Welt wird an ihren abhandengekommenen Werten zugrunde gehen. "Antikult" ist die Schockstarre und der unverdauliche Kloß im Hals all jener, die dies zu verantworten haben.

 

"Antikult" ist Post Apocalyptic War Punk!!!

 

Streetdate: 10.03.2017 / Grau Records
Streetdate: 10.03.2017 / Grau Records

Janko: Letzten Freitag habt ihr euer drittes Komplett-Album „Antikult“ veröffentlicht. Wie sieht es bis dato mit den Reaktionen aus und wie geht es euch dabei? Wart ihr sehr aufgeregt oder juckt euch das eher weniger?

 

Seuche: Die Reaktionen waren im Großen und Ganzen recht gut. Hier und da wurde gemeckert, u.a. dass der Gesang zu leise ist, aber wenn's mehr nicht ist...„Aufgeregt“ war ich jetzt nicht, aber natürlich schon gespannt, wie das Album bei denen ankommen würde, die uns bisher wohlgesonnen waren.

 

Janko: Wie kamst du auf den Titel „Antikult“? Ist er generell gemeint oder bezieht er sich auf das „Nischenprodukt“ Black Metal?

 

Seuche: Wie schon bei den Titeln vorher, auch „Antikult“ war einfach irgendwann da. Ich habe mein Notizheft, da schreibe ich alles rein, was mir durch den Kopf geht, irgendwann habe ich mal eine Begriffssammlung gemacht, was mir speziell für das Album wichtig war, „Antikult“ war darunter. Wie auch „Snuff || Hiroshima“ als Titel ist auch „Antikult“ wieder eine Mischung aus allem. Aus eigenen Assoziationen zum Begriff...und sicherlich bezieht er sich auch auf Black Metal an sich, das ganze Kult-Gedöns.

 

Janko: Wie muss ich mir die Herangehensweise von FÄULNIS an ein neues Album vorstellen? Gibt es da eine spezielle Rollenverteilung, was das Songwriting anbetrifft oder gibt da einfach jeder seinen Senf dazu und wie ist so in etwa der Ablauf?

 

Seuche: Im klassischen Ablauf biete ich die Basis und je nachdem, wie entwickelt die Basis ist, arbeiten meine Kollegen weiter dran. Manchmal komme ich mit praktisch fertigen Songs, wo kaum mehr was gemacht werden muss, manchmal nur aneinandergereihten Riffsammlungen, aus denen dann ein Song gebastelt wird. Ich bin technisch am Instrument halt 'ne Niete, da springen dann die Kollegen ein. Manchmal haben auch die anderen Songideen, wenn's passt, kommt's auf die Platte. Texte mache ich selbst.

 

Janko: Wie laufen dann die eigentliche Produktion und die Aufnahmen bei euch ab? Produziert ihr das alles selbst und wenn ja wo?

 

Seuche: Für die Aufnahmen gehen wir immer ins Studio.

 

Janko: Worin siehst du die Unterschiede und Fortschritte gegenüber „Snuff //Hiroshima“? Du hattest in einem Interview diverse Mankos angesprochen, die euer zweites Komplettalbum anbetreffen. Worin siehst du selbige?

 

Seuche: „Snuff || Hiroshima“ litt unter seinen Umständen. Internes Chaos, viel Ärger. Mittlerweile alles ausgesprochen, so dass ich in Frieden drauf zurückblicken kann, aber „Snuff || Hiroshima“ ist in meinen Augen unfertig und viel zu glatt produziert. Gerade letzteres ist aber nur meine Meinung, mit der ich öfters allein da stehe. „Antikult“ ist radikal räudiger aufgenommen worden, viel Fiepen, Rückkopplungen, alles viel garstiger. Auch die Songs sind im Vorfeld viel häufiger geprobt worden, wodurch am Ende alles weitaus dichter klingt. „Antikult“ ist im Grunde das Album, was damals hätte kommen sollen. Aber wahrscheinlich wäre es ohne „Snuff“ nie möglich gewesen, „Antikult“ zu schreiben.

 

Janko: Ich empfinde „Antikult“ als nicht mehr ganz so zugänglich wie das „Snuff“ Album. Wie siehst du das und ist das so auch gewollt?

 

Seuche: Es wird viele vor den Kopf stoßen, weil es vom Sound einfach nicht DER Nachfolger von „Snuff“ ist. Es enttäuscht eben Erwartungshaltungen. Und es sind halt keine klaren „Hits“ wie „Weil wegen Verachtung“ drauf, wobei ich der Meinung bin, dass das Songwriting selbst nun auch nicht sooo unterschiedlich zum Vorgänger ist. Ist halt gewöhnungsbedürftiger in seiner Präsentation. Planen tue ich sowas alles nicht, ist halt, wie es ist.

 

Janko: Du hattest angedeutet, dass es für dich immer schwieriger wird, Texte zu schreiben. Normalerweise sollte man doch davon ausgehen, dass es genau anders herum ist. Je versierter man ist, desto einfacher geht es einem doch normalerweise von der Hand. Warum meinst du ist das bei dir anders gelaufen?

Seuche: Es geht ja nicht darum, irgendwann aus reiner Übung nach gewohnten Mustern etwas runterzuschreiben. Ich fange mit jedem Album ganz von vorne an. „Neues“ Thema, wobei das „neue“ Thema auch am Ende nur ein Thema aus dem Sumpf negativer Emotionen ist. Wie ich ja immer wieder betone, Fäulnis verarbeitet ausschließlich alles Negative in mir. Und so individuell und vielfältig ist mein negatives Inneres halt nicht, irgendwann ist alles gesagt.

 

Janko: Arbeitest du immer noch mit einen Notizheft, um deine Ideen unterwegs festzuhalten zu können oder bist du indes auf elektronische Hilfsmittel umgestiegen?


Seuche: Alles beim Alten...

 

Janko: Eure Texte sind sehr metaphorisch gehalten. Was sollen sie deiner Meinung nach ausdrücken oder in welche Richtung sollen sie weisen?

 

Seuche: Wie geschrieben, Fäulnis behandelt alles Negative in mir, was ich mit Texten und musikalischen Mitteln verarbeite. Alle Eindrücke, Erfahrungen, die Vergangenheit, Gegenwart. Mit „Antikult“ habe ich spannender Weise wieder viel aus meiner Zeit im Norden verarbeitet, wo ich noch unmittelbar zum Meer gelebt habe. Da wohne ich ja lang nicht mehr. Ich weiß nicht, ob das überhaupt mal wer begriffen hat, vielleicht ist's auch nicht offensichtlich genug, aber die Richtung wies eigentlich fast immer, selbst schon bei Letharg, in Richtung eines, wenn auch nebulösen Hoffnungsschimmers. Mit Selbstmitleid, was irgendwelche Penner immer wieder runterbeten, hatte das alles eigentlich nie was zu tun.

 

Janko: Du hattest gesagt, dass Liveauftritte bei dir am besten funktionieren, wenn du scheiße drauf bist. Das sei für dich aber sehr schwierig, denn wenn es dir scheiße geht, kannst wiederum du selbst es nicht genießen. Ich kann mir vorstellen, dass man dieses FÄULNIS Gefühl doch aber auch verinnerlichen und so auch wiedergeben kann oder funktioniert das bei dir nicht?

 

Seuche: Es geht ja um Authentizität. Frei nach Kinski „Ich spiele nicht, ich bin das“. Ja klar kann ich so tun, als sei ich scheiße drauf, Gefühle reproduzieren, aber die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Publikum schon sehr feine Nerven dafür hat, zu erkennen, ob ich auf der Bühne gerade „spiele“ oder nicht. Und „spielen“ können andere eh besser.

 

Janko: Habt ihr eigentlich bislang die Chance gehabt im Ausland zu spielen und wenn ja wie wurdet ihr dort aufgenommen?

 

Seuche: Selten, aber wenn, lief es immer überraschend gut. Damals Island, jetzt gerade Italien. Scheinbar transportiert Fäulnis auf der Bühne auch ohne „Text“ genug.

 

Janko: Du bist neben Sänger bei FÄULNIS noch Basser bei BLACKSHORE. Was kannst du mir bezüglich BLACKSHORE sagen? Sind die momentan auf Eis gelegt? Wird es nach dem 2013er full-length „Terror“ nicht irgendwann in naher Zukunft auch wieder Zeit für einen Nachfolger?

 

Seuche: Da sage ich nichts zu, alles nicht offiziell.

 

Janko: Du schreibst eine Kolumne bei metal1.info. Um was geht es da genau und wie kam es dazu?

 

Seuche: Habe jetzt lange nichts geschrieben. Moritz, den Chefredakteur habe ich auf einem Festival getroffen. Wir haben uns unterhalten, auch darüber, dass ich gerne was schreiben wolle, aber kein Nerv auf eine eigene Seite habe. Er bot mir Metal1.info an, fertig. Geschrieben habe ich über alles Mögliche, meist über verschiedene Ansichten bezüglich der Musik-Szene.

 

Janko: In dem Video zu "Metropolis" spielt der österreichische, ehemalige Schauspieler, Showmaster und Kolumnist Hermes Phettberg mit. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit, was hast du davon "mitgenommen" und steht ihr immer noch in Kontakt?

 

Seuche: Wir haben angefragt und er hat zugesagt, das war sehr unspektakulär. Hermes ist halt Hermes, das ist schwer zu beschreiben. Im Kopp noch klar, aber körperlich eine Ruine. „Der elende Hermes Phettberg“ wie er sich selbst gern nennt. Guter Typ!

 

Janko: Ich habe einen Teil seiner Korrespondenz und Gedanken auf http://www.phettberg.at/ gelesen. Der Sinn des Ganzen wollte sich mir denn aber nicht immer so wirklich erschließen. Ich kenne ihn noch von früheren Talkrunden im TV. Was ist er für deiner Meinung nach für ein Typ und wie würdest du ihn beschreiben?

 

Seuche: Beschreiben kann ich ihn nicht. Er ist halt Hermes, ein Unikat, solche Leute gibt’s ja kaum noch.

 

Janko: Die Frage ist jetzt wirklich ernst gemeint, du kannst sie aber selbstverständlich gerne ausklammern und unbeantwortet lassen: Hast du dich ein Stück weit in ihm wiedererkannt? Das frage ich deshalb, weil du oftmals Kommentare abgibst, die darauf hindeuten, dass du dir nicht allzu viel Gedanken über das machst, was in der Zukunft mit dir sein wird...

 

Seuche: Nein, habe ich nicht. Ich mag ihn sehr, weil er ist, wie er ist, aber wir haben wohl nur wenig gemein. Ich trage halt gerne Bluejeans, er mag das...

 

Janko: Euer Gitarrist N.N. hat das Video dazu produziert. Er fotografiert neben seiner Arbeit mit Hard Drive Media auch für das Deaf Forever. Was machen die Mitglieder von FÄULNIS denn noch so alles außerhalb von FÄULNIS?

 

Seuche: N.N. hat da ein neues Projekt am laufen, Fvneral Fvkk. Der Rest hat gerne seine Ruhe.

 

Janko: In meinem Review zu „Antikult“ schrieb ich: „Rein anhand der kaputten Texte würde ich Seuche eine ausgewachsene Depression oder das Burn Out Syndrom attestieren“. Wie viel Wahrheit ist da letztendlich dran?

 

Seuche: Da sage ich nix zu...

 

Janko: Vielen Dank, dass du dir die Zeit genommen hast, all meine Fragen zu beantworten!!! Ich wünsche euch weiterhin viel Erfolg für das neue Album und die anstehenden Tourtermine.

 

Seuche: Danke!

Official Video zu „Metropolis“:

 


 

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- Wir bitten von der Übersendung nicht angeforderter Rezensionsexemplare in physischer Form abzusehen, da Wir diese in der Regel nicht bearbeiten Können -